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14.09.2023

"Viele sagten, ich soll es bleiben lassen"

Die Kooperation TSS feiert in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. TSS-Chef Manuel Molina erklärt im Interview mit fvw|TravelTalk, worauf er besonders stolz ist und was er für die Zukunft erwartet.

Mit Partnern, Leistungsträgern sowie Gästen aus dem In- und Ausland feiert die Reisebüro- Kooperation TSS im September ihre zurückliegenden 30 Jahre. TSS-Chef Manuel Molina hat bereits angekündigt, die Jahre Revue passieren zu lassen und die Partner auf die Zukunft einstimmen. 600 Teilnehmer werden erwartet.

Wie sich Manuel Molina an die 30 Jahre zurückerinnert, was für ihn die Meilensteine waren und welchen Herausforderungen sich die Reisebüro-Kooperation für die Zukunft zu stellen hat, erzählt der TSS-Chef im Gespräch mit fvw|TravelTalk.

fvw|TravelTalk: Was ist es für ein Gefühl, mit der TSS 30-Jähriges zu feiern?

Manuel Molina: Ein sehr, sehr gutes. Das, was uns in den 30 Jahren dank unserer engagierten, ideenreichen, loyalen und nicht zuletzt erfolgreichen Reisebüros gelungen ist, sucht meines Erachtens seinesgleichen in der Touristik. Seit 30 Jahren halten wir die Fahne der Unabhängigkeit hoch, seit 30 Jahren kämpfen wir tagtäglich für die Belange von Reisebüros und wie wir deren Leben etwas besser, erfolgreicher oder einfacher machen können.

Sie sind von anfangs zwölf Reisebüros auf nun mehr als 3000 Büros gewachsen …

Ja, es gab nicht wenige in der Branche, die mir gesagt haben, ich solle es lieber bleiben lassen. Umso mehr freue ich mich natürlich, es den Skeptikern und Kritikern gezeigt zu haben und so vielen unabhängigen Reisebüros ein zu Hause zu bieten. Hinter mir stehen neben diesen Reisebüros aber auch Menschen, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben und sich jeden Tag auf ein Neues voller Energie, Leidenschaft, Erfahrung und Esprit für jedes einzelne Büro einbringen. Daher gilt mein Dank insbesondere auch meinem Team, das einen wesentlichen Beitrag zu diesen Feierlichkeiten beigetragen hat.

Was waren die wichtigsten Meilensteine?

Prägend waren für mich schon die ersten Jahre, als das Geschäftsmodell noch nicht sonderlich greifen wollte. Mit zwölf Reisebüros und nur einer Vision im Kopf und dem Bewusstsein, das Richtige zu tun, konnte man nicht wirklich die Türen der Veranstalter einrennen. Der erste Schub dann Mitte der 90er Jahre war phänomenal, als die TSS-Familie um mehrere Hundert Reisebüros pro Jahr wuchs. Nicht ganz leicht war dann die Trennung vom damaligen RTK-Verbund durch den Einstieg der TUI, wobei sich spätestens hier endgültig unsere Unabhängigkeitsmaxime manifestierte.

Wie ging es weiter?

Gemeinsam mit AER-Geschäftsführer Hartmut Höhn gründeten wir eine eigene starke Vertriebsorganisation, in der anfänglich auch noch die damalige TVG eingebunden war. Die Gründung von Onlineweg im Jahr 2002 war ein weiterer Meilenstein. Wir waren die Ersten, die den Reisebüros die Scheu vor dem damals recht neuen Medium Internet nahmen und eine eigene professionelle Plattform hierfür bauten.

Welche Herausforderungen gilt es nun für die Zukunft zu meistern?

Die werden sich von denen der Vergangenheit nicht sehr unterscheiden. Wir werden weiterhin dafür kämpfen, dass die Leistungsfähigkeit der Reisebüros in der Gesellschaft wahrgenommen und in der Branche ausreichend honoriert wird. Dabei kann es sicher nicht der richtige Ansatz von Airlines und Veranstaltern sein, jede Art von Arbeit auf den stationären Vertrieb auszulagern und die Service-Qualitäten der Reisebüros nur dann zu schätzen, wenn es gerade gut in die Zeit oder die eigene Strategie passt.

Wir müssen uns aber mit neuen Technologien und Kommunikationsansätzen in den Reisebüros auseinandersetzen, um Ressourcen bestmöglich nutzen und unsere Kunden jederzeit unsere Nähe spüren lassen zu können. An mangelndem Vertrauen scheitert der Gang zum Fachverkäufer im Reisebüro nur sehr, sehr selten.

Welchen Reiseprodukten bescheinigen sie eine rosige Zukunft?

Grundsätzlich glaube ich an die Zukunft der Pauschalreise. Das System hat sich bis auf eine kleine Delle durch die Thomas-Cook-Insolvenz, die allerdings durch energisches Handeln der Branche und vielleicht auch durch unsere gemeinsame Reisebüro-Kampagne 'Pauschal ist deine Wahl' recht schnell überwunden werden konnte, über Jahrzehnte bewährt. Man spürt zwar, dass der Kunde auch zunehmend nach noch mehr Flexibilität und Individualität fragt und seine Ansprüche steigen. Das widerspricht aber nicht zwingend dem Pauschalreise-Ansatz, sondern kann diesen eher nachhaltig stärken.

Welche Veränderungen im Kundenverhalten beeinflussen das Reisen?

Ich glaube, der Kunde will zukünftig alles noch viel schneller, flexibler, individueller und qualitativ anspruchsvoller. Dem werden wir mit entsprechenden Produkten, aber auch mit unterstützender Technik und optimiertem Service Rechnung tragen müssen. Um Kundengruppen in den sogenannten Generationen Y und Z vom stationären Vertrieb zu überzeugen, müssen wir die Ansprache verändern und bereits das Reisebüro an sich sowie das Beratungsgespräch zu einem ersten Erlebnis machen. Wir sind ja als Vertrieb sehr nah am Kunden dran und können somit Entwicklungen und Bedürfnisse ganz gut abschätzen, brauchen aber sicher bei dem einen oder anderen Schritt Unterstützung aus der Branche oder auch darüber hinaus, um solche Konzepte umzusetzen.

Was können Reisebüros unternehmen, um gegenüber Online wettbewerbsfähiger zu werden?

Sie müssen sich weiterhin den damit verbundenen Medien öffnen. Mit Onlineweg leisten wir hier schon seit Jahren Pionierarbeit und schaffen für Reisebüros eine professionelle Plattform, die zudem noch den Vorteil mitbringt, dass Menschen im Reisebüro angesprochen werden können. Und natürlich gilt es auch, die Kunden regelmäßig und auf allen Kanälen von der Expertise eines Reisebüros zu überzeugen. Wettbewerbsfähig sind die Reisebüros ohne Zweifel. Wir müssen das nur auch deutlicher, lauter und vermutlich mangels vergleichbarer Marketingbudgets oder fehlenden Quersubventionierungen kreativer mit all unseren Vorteilen über reine Onliner hinaus kommunizieren.

Was sollte infolge der RTK/FTI-Datenaffäre passieren?

Es sollte zunächst erst einmal lückenlos und möglichst neutral aufgeklärt werden, was da konkret passiert ist und wie es dazu kommen konnte. Ich glaube, größtmögliche Transparenz würde dem weiteren Prozess und allen Beteiligten wie auch Unbeteiligten sehr gut tun, damit anschließend dann auf dieser Basis alles unternommen werden kann, damit sich dies nicht wiederholt.

Worauf hätten Sie in den 30 Jahren gut verzichten können?

Sicher wäre das Leben ohne so manche Aufregung der letzten 30 Jahre einfacher und ruhiger verlaufen. Aber was will man machen? Es hat ja auch durchaus gezeigt, dass wir willens und fähig sind, dies alles zu überwinden und gestärkt daraus hervorzugehen. Geholfen hat uns sicher dabei unser Unabhängigkeitsgedanke, der uns so manche Entscheidung schneller, kreativer oder mutiger hat treffen lassen. Weil es aber noch so präsent ist: Auf die Corona-Pandemie mit all ihren Einschränkungen hätte ich als gelebter Europäer, als Unternehmer und einfach als freiheitsliebender Mensch bei aller Notwendigkeit des Handelns gern verzichten können.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Dass das gegenseitige Vertrauen zwischen Vertrieb und Veranstalter wieder mehr Einzug halten würde und wir uns darauf besinnen, auch abseits von Krisen wieder durch intensiven Dialog kreative Lösungen zum Fortschritt aller Beteiligten zu finden.